Eingetragene Marke „Webinar“ – droht Abmahnung bei Verwendung?

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Seit einigen Tagen spukt die angeblich eingetragene Marke „Webinar“ in diversen Beiträgen in sozialen Medien herum. Dort wird spekuliert, ob die Verwendung des Begriffs „Webinar“ zu Abmahnungen führen kann.

1. Gibt es eine eingetragene Marke „Webinar“?

Zunächst ist die in den Medien kursierende Information korrekt: im Jahr 2003 wurde das Zeichen „Webinar“ für die Klassen 35, 38 u. 41 als deutsche Wortmarke angemeldet (Markennummer: 30316043). Die Marke ist auch aktuell noch gültig, ihr Schutz endet frühestens am 31.3.2023. Auch über das Jahr 2023 hinaus kann der Markeninhaber den Schutz problemlos jeweils um weitere 10 Jahre verlängern. Der Schutz des Zeichens „Webinar „erstreckt sich aufgrund der Klasse 41 insbesondere auch auf die „Bereitstellung von Informationen im Internet“ sowie auf die „Veranstaltung und Durchführung von Seminaren“, betrifft also genau das, was eigentlich ein Webinar ausmacht. Denn als Webinar bezeichnet beispielsweise Wikipedia ein Web-Seminar (also mit Interaktion, dass die beidseitige Kommunikation zwischen Vortragendem und Teilnehmern ermöglicht).

2. Darf man „Webinar“ verwenden?

Was passiert nun, wenn man ein Online-Seminar anbietet und es als „Webinar“ bezeichnet? Meines Erachtens passiert aus folgenden Gründen gar nichts:

Grund 1: beschreibende Benutzung

Die Bezeichnung eines Online-Seminars als „Webinar“ wäre m. E. nach eine rein beschreibende Benutzung des Zeichens und damit nach § 23 Nr. 2 MarkenG ausdrücklich gestattet. Denn markenrechtlich geschützt kann nur die herkunftshinweisende Verwendung eines Zeichens sein (z. B. „Apple“ für Smartphones; nicht aber „Apple“ für stinknormale Äpfel). Während das Zeichen „Webinar“ im Jahr 2003 möglicherweise noch ein neuer Fantasiebegriff bzw. eine originelle Zusammensetzung aus den Worten „Web“ und „Seminar“ und damit geeignet war, auf die Herkunft von Leistungen aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen, hat das Wort mittlerweile wohl Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Sucht man das Wort „Webinar“ in der Suchmaschine Google, erhält man rund 150 Millionen Treffer.

Anders als bei anderen Marken, deren Zeichen zwar ebenfalls schon – teilweise – Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben (zum Beispiel die Abmahnungen des Unternehmens Mad Dogg Athletics Inc. wegen ihrer Marke „Spinning“), habe ich im Zusammenhang mit der Marke „Webinar“ noch von keiner einzigen Abmahnung gehört. Daher liegt es nahe, dass der Markeninhaber seine Rechte in den letzten 17 Jahren nur unzureichend – oder gar nicht – durchgesetzt hat. Der „Verwässerung“ des Begriffs hat der Markeninhaber somit vermutlich jahrelang „tatenlos“ zugesehen. Hätte der Markeninhaber seine Rechte von Anfang an konsequent durchgesetzt, hätte sich das Wort nicht als allgemeiner Begriff durchsetzen können.

Die Konsequenz: Nach § 49 II Nr. 1 MarkenG könnte die Marke auf Antrag zum DPMA (Deutsches Patent- u. Markenamt) wegen „Verfalls“ durch das DPMA gelöscht werden, wenn das DPMA zum Ergebnis kommt, dass „…die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geworden ist“.

Da das DPMA selbst auf seiner Website das Wort „Webinar“ benutzt, läge eine solche Entscheidung nahe.

Grund 2: rechtserhaltende Benutzung zweifelhaft

Es ist zudem zweifelhaft, ob der Markeninhaber seine eingetragene Marke „Webinar“ überhaupt in rechtserhaltender Weise benutzt. Nach § 26 MarkenG ist das aber bei Marken, die länger als 5 Jahre eingetragen sind, überhaupt die Voraussetzung dafür, dass die Marke nicht „verfällt“. Der Markeninhaber muss also das Zeichen „Webinar“ als Herkunftshinweis für seine eingetragenen Dienstleistungen, zum Beispiel Online-Seminare, benutzen, wenn er nicht riskieren will, dass sonst die Marke auf Antrag wegen des Verfalls gelöscht wird.

3. Gibt es solche „Allerweltsmarken“ öfter?

Es kommt immer wieder vor, dass Worte anfangs noch „originelle“ Worbildungen oder Fantasiebegriffe sind, dann aber so exzessiv benutzt werden, dass sie dann irgendwann zum allgemeinen Sprachgebrauch zählen. So verhält es sich z. B. mit der Marke „Streetball“ von Adidas. Heute versteht man unter Streetball eine Variante des Basketballspiels – insbesondere nur mit einem Korb. Im Jahr 1991, als Adidas seine „Streetball“ Marke anmeldete, war der Begriff noch nicht für diese Basketballvariante verbreitet.

4. Fazit

Auch wenn ich nicht garantieren kann, dass es überhaupt keine „Webinar“-Abmahnungen gibt oder jemals gegeben hat, dürfte die Wahrscheinlich äußerst gering sein, dass der Markeninhaber seine Rechte tatsächlich durchsetzt. Denn einerseits würde man ihm das Argument entgegenhalten, dass man das Zeichen lediglich beschreibend benutzt – eben als Synonym für ein Online-Seminar. Zudem würde dem Markeninhaber die Löschung der Marke wegen Verfalls drohen, entweder weil der Inhaber das Wort „Webinar“ zur üblichen Bezeichnung hat werden lassen bzw. wenn er – was anzunehmen ist – diese nicht rechtserhaltend im Sinne von § 26 MarkenG benutzt.

Zum gleichen Ergebnis kommt übrigens ein aktuelles Gutachten der Rechtsinformationsstelle Digitale Hochschule NRW vom 2.7.2020 (Leitung: Prof. Hoeren).

5. Update (2.7.2020)

Heute berichtete mir ein Anrufer von einer ersten Abmahnung. Es ist gut möglich, dass der Markeninhaber erst jetzt den Versuch startet, seine Rechte durchzusetzen. Würde ein Betroffener einen Antrag auf Verfall wegen (wahrscheinlicher) Nichtbenutzung nach §§ 49, 53 MarkenG stellen, hätte der Markeninhaber die „rechtserhaltende Benutzung“ nach § 26 MarkenG bereits vor 3 Monaten wieder aufnehmen müssen (vgl. § 49 I 3 MarkenG), sofern er die Marke „Webinar“ nicht kontinuierlich markenmäßig benutzt hat.

Zudem spricht vieles für den Verfall wegen Verwässerung der Marke, weil „Webinar“ nun eine gebräuchliche Bezeichnung für einen Online-Workshop geworden ist (§ 49 II Nr. 1 MarkenG).

6. Update (3.7.2020)

Ein Kollege teilte mir gestern Abend mit, er habe im Auftrag seines Mandanten den Antrag auf Löschung der Marke „Webinar“ wegen Verfalls auf Grundlage von § 49 II Nr. 1 MarkenG gestellt, also weil die Marke mittlerweile zur gebräuchlichen Bezeichnung wurde.

Das ganze Problem könnte sich daher schnell erledigt haben. Vielen Dank an dieser Stelle an den Kollegen und seine Mandantschaft!

7. Update (8.7.2020)

Dem Registerauszug zur Marke „Webinar“ beim Deutschen Patent und Markenamt (DPMA) ist aktuell zu entnehmen, dass mittlerweile bereits fünf Anträge auf Löschung der Marke gestellt wurden (s. auch mein Beitrag vom 8.7.2020). Das bestärkt meine zuvor schon geäußerte Vermutung, wonach die Marke nicht mehr lange Bestand haben wird.

8. Update (17.7.2020)

Anscheinend hat es nie eine echte Abmahnung des Markeninhabers gegeben, worauf ein Beitrag vom 9.7.2020 auf markonomy hinweist. Scheinbar hat der Inhaber, Herr Keller, selbst zu den aktuellen Gerüchten Stellung genommen und klargestellt, dass weder er noch seine Kanzlei Legispro Abmahnungen versendet hat. Ein Dank hierbei an den Kollegen Jun (www.junit.de), der wohl bei Legispro nachgefragt und für Klärung gesorgt hat.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass der eingetragenen Marke ein Freihaltebedürfnis entgegensteht. Die aktuell bereits 9 (!) gestellten Löschungsanträge werden von der Stellungnahme des Inhabers nicht berührt.


Ein Beitrag von:
Dr. Maximilian Greger
Rechtsanwalt | Fachanwalt für IT-Recht u. Urheber- und Medienrecht